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zondag 29 april 2018

Zur Vorgeschichte des ‚Lectorium Rosicrucianum’


Zur Vorgeschichte des
‚Lectorium Rosicrucianum’

Rudolf Steiner über Max Heindel
Das ‚Lectorium’ entwickelte sich unter Zwier Willem
Leene, seinem Bruder Jan Leene und Cor Damme in einem
11-jährigen Prozess (1924-1935) allmählich aus dem
holländischen Zweig der von Max Heindel begründeten
‚Rosicrucian Fellowship’ mit Sitz in Oceanside, Kalifornien,
heraus zur Selbständigkeit. Die Namengebung ‚Lectorium
Rosicrucianum’ erfolgte allerdings erst nach dem
Zweiten Weltkrieg, als die Gruppierung – nach dem Tod
Zwier Willem Leenes (1938) und, nachdem Cor Damme
nach Südamerika ausgewandert war – unter der Führung
von Jan Leene (Jan van Rijckenborgh) und Hendrikje
Stok-Huizer (Catharose de Petri) weiter ausgebildet wurde.
Jedoch, noch bis in die 1970er Jahre hinein wurden innerhalb
des ‚Lectorium’, in Ermangelung eigener einführender
Literatur, die Schriften Max Heindels verbreitet,
insbesondere seine Grundlagenschrift, „Die Weltanschauung
der Rosenkreuzer. Das esoterische Christentum der
Zukunft“.8
In jüngster Zeit wird von namhaften Vertretern des ‚Lectorium’
geltend gemacht, dass Rudolf Steiner und Max
Heindel – oder auch Rudolf Steiner und Jan van Rijckenborgh
– in der geistigen Welt womöglich längst zusammenwirken.
9 Die Freunde der anthroposophischen Geisteswissenschaft
und die Freunde des ‚Lectorium’, hier auf
dem physischen Plan, sollten ihnen dabei möglichst folgen
und sich – um die Unterschiede wissend – zusammentun.
An dieser Stelle erscheint es jedoch als nicht unbedeutend,
bestimmte, Max Heindel betreffende, Wortlaute Rudolf
Steiners (deren erster bisher noch nicht in die Rudolf Steiner
Gesamtausgabe aufgenommen wurde) in längeren Zitaten
mitzuteilen. Es handelt sich an erster Stelle um Ausführungen
Rudolf Steiners, dargelegt in Berlin am 2. Februar
1913, anlässlich der ersten Generalversammlung der
wenige Wochen zuvor in Köln begründeten ‚Anthroposophischen
Gesellschaft’. Zunächst waren in allgemeiner
Form „Widerstände und Schwierigkeiten“ angesprochen
worden, die es zu überwinden gälte, »[…] wenn es sich
darum handelt, ehrlich, aufrichtig und reinlich eine geisti-

8 Vorliegende Ausgabe: Darmstadt 1973. – Die amerikanische Originalausgabe
erschien 1909 in Chicago unter dem Titel: „The Rosicrucian Cosmo-
Conception“. – Max Heindels bürgerlicher Name: Carl Louis Frederik
Grasshoff (1865-1919); er stammte aus Aarhus, Dänemark.
9 Vgl. das Interview Toon Schmeinks mit Joost R. Ritman, „Gib dem Raum,
was spirituell in Bewegung ist“, das im Jahr 2002 in der niederländischen
Zeitschrift „Motief“ erschien (die deutsche Übersetzung dieses Interviews
ist zu erfragen an der ‚Rudolf Steiner Bibliothek Stuttgart’, Zur Uhlandshöhe
10, DE 70188 Stuttgart)

ge Bewegung in die Welt zu bringen«. Dann folgen diese
Worte:

»Lassen Sie mich noch etwas vorbringen, rein symptomatisch,nicht um Kleinigkeiten zu erwähnen, sondern, um zuzeigen, wie es doch möglich ist, ein reinliches, gesundesUrteil zu erhalten, trotzdem man solche Redensarten immerwieder hören muss: Jeder strebt die Wahrheit an, aberman kann nicht immer wissen, ob man auf dem Wege derWahrheit ist. Derjenige aber, der ernstlich will, kann wissenin vielen Fällen, was Wahrheit, und, was nicht Wahrheitist […].Es würde wünschenswert sein, die Augen aufzumachenund nachzusehen, worum es sich eigentlich handelt. Es isteine Ankündigung von einer Buchhandlung erschienen z.B., da finden sich die Worte darinnen: „Dr. Steiner hat inDeutschland bereits den Anfang gemacht, aber die vonihm vertretene plutokratisch-autokratische Richtung istwegen ihrer Einseitigkeit nicht geeignet, den heutigen geistig-sozialen Fortschritt a l l s e i t i g zu fördern. Deshalbmusste eine zeitgemäße, populäre Form gefunden werden,die es ermöglicht, dass jene Schätze undogmatisch, frei erreichbarund ohne klerikale Bevormundung der Öffentlichkeitzugänglich gemacht werden konnten. Diese rosenkreuzerischenUnterrichtsbriefe geben ein abschließendesGesamtbild über die rosenkreuzerische Forschung undWeltanschauung. Die Anfänge ihrer Entstehung sind aufdeutschem Boden zu suchen. In der für rosenkreuzerischeForschung viel günstigeren Ätheratmosphäre Kalifornienssind sie weiter ausgearbeitet worden …“Es ist eben notwendig, dass man aufmerksam ist, dass mandie Augen aufmacht und nicht immer schläft als Theosoph.Es würde sich empfehlen, zuzusehen, was eigentlichin Kalifornien ausgereift ist. Dass man aber, wenn manwill, wohl richtig schließen kann, will ich zeigen, indemich Ihnen einen Brief an mich vorlese von jemandem, dereben die Augen aufmacht. „Sehr geehrter Herr. Dürfte iches wohl wagen, mit einer, oder sogar mehr als einer Fragean Sie heranzutreten? Erst muss ich erwähnen, dass ichhier kurze Zeit zu Besuch weile und mein Wohnort in Salina,Kansas, U.S. America ist. Dort ließen zwei Freundinnenund ich uns vor einiger Zeit ein von der EsoterischenBibliothek in Washington D.C. empfohlenes Buch schikken;dasselbe heißt: Rosicrucian Cosmo-Conception orChristian Occult Science by Max Heindel. In der Vorredefiel uns die sonderbare Weise auf, in der Herr M. H. Bezugnimmt auf den Namen Dr. Rudolf Steiner, dessenLehre in den Hauptlinien seiner Lehre ähnlich sei etc. etc.– Kurz, das Vorwort veranlasste mich und später dieFreundinnen, Ihr Buch Theosophie und Initiation and itsResults zu lesen. Es ist uns ein Rätsel, wie es zugeht, dassso ganze Sätze in Cosmo-Conception beinahe Wort fürWort zu vergleichen sind mit denen, enthalten in IhrenBüchern, und so kam uns der Gedanke: ‚Hat jener HerrMax Heindel die Lehre, die er in Amerika, hauptsächlichaber in Kalifornien, zu verbreiten sucht, von Ihnen – geborgt?’“Das ist ein Brief von jemandem, der die Sachen anschautund zu einem Urteil kommt. Es brauchte ihm von mir nurmit der Tatsache geantwortet werden, dass Max Heindelunter einem anderen Namen, als Grashof, unter uns gelebthat und viele meiner Vorträge und Zyklen angehört undabgeschrieben hat. Und es liegt in der Tat der Fall vor,dass in Deutschland zunächst eine gewisse Richtung begründetworden ist und dass dann in recht merkwürdigerWeise von Max Heindel eine Form gefunden worden ist,die „zeitgemäß ist … etc. …“ (siehe oben).Dann ist der betreffende Herr weggegangen und hat seinerseitsaus Vorträgen von mir etwas zusammengestückeltund es vorgebracht als ein Neues.Wir erfahren recht sonderbare Dinge. Unsere Arbeit wirdauf der einen Seite hier als plutokratisch, als autokratischund als einseitig dargestellt und in der ÄtheratmosphäreKaliforniens wird sie als gereift, gewandelt weiter gegeben.Vielleicht tritt sogar noch einmal der Fall ein, dassman einfach Max Heindel ins Deutsche übersetzt und danngegen mich zu Felde zieht mit Dingen, die von mir selbersind … Deshalb bitte ich, die Dinge etwas näher zu betrachten.Es ist wirklich ein Martyrium gewesen, in der TheosophischenGesellschaft zu arbeiten, und es ist auch rechtschwierig, zu arbeiten, wenn die Mitarbeiter nicht Anteilnahmen an dem, was geschieht. Es ist dann recht schwierig,die Sache vorwärts zu bringen.«10
Im Anschluss an diese Ausführungen folgen noch Worte
Rudolf Steiners über die Probleme um die „Krishnamurti-
Bewegung“ bzw. den „Stern des Ostens“. – Noch in demselben
Jahr kommt Rudolf Steiner in Oslo – im Rahmen
seiner Vorträge über das „Fünfte Evangelium“ – erneut
auf Max Heindel zu sprechen:

»Sehen Sie, wir haben heute schon gründlich genug Feinde,und die Art, wie sie vorgehen, ist ja eine ganz eigentümliche.Ich will über diesen Punkt nicht sprechen, Siekennen ihn vielleicht aus den „Mitteilungen“. Sie kennenja auch die merkwürdige Tatsache, dass es seit längererZeit Menschen gibt, die davon sprechen, wie infiziert vonallem möglichen engherzigen Christentum, ja sogar vonJesuitismus die Lehre ist, die von mir verkündet wird. Insbesonderesind es gewisse Anhänger der so genannten

10 Rudolf Steiner während der 1. Generalversammlung der ‚Anthroposophischen
Gesellschaft’, Berlin, 2. Februar 1913 – aus: „Mitteilungen für die
Mitglieder der Anthroposophischen Gesellschaft“ (hg. von Mathilde
Scholl. N° 1 – erster Teil. Cöln 1913). – Voraussichtlich wird dieser Text
aufgenommen in den bislang noch nicht erschienenen Band 250 der Rudolf
Steiner Gesamtausgabe (vorläufiger Titel: „Der Aufbau der Anthroposophischen
Gesellschaft. Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Ersten
Weltkrieges“.)

Adyar-Theosophie, welche in der schlimmsten Weise ebendiesen Jesuitismus verkünden und lauter gehässiges, gewissenlosesZeug reden. Aber dabei tritt auch noch das zutage,dass von einer Stelle aus, wo man recht sehr gewütethat gegen das Engherzige, Verkehrte, Verwerfliche, unsereLehre bodenlos gefälscht worden ist. Es hat unsere Lehreein Mann, der aus Amerika kam, durch viele Wochenund Monate kennen gelernt, aufgeschrieben und dann inverwässerter Gestalt nach Amerika getragen und dort eineRosenkreuzer-Theosophie herausgegeben, die er von unsübernommen hat. Er sagt zwar, dass er von uns hier manchesgelernt habe, dass er aber dann erst zu den Meisterngerufen wurde und von ihnen mehr gelernt habe. DasTiefere aber, was er aus den damals unveröffentlichtenZyklen gelernt hatte, verschwieg er als von uns gelernt.Dass so etwas in Amerika geschah – man könnte ja, wieder alte Hillel, in Sanftmut bleiben; man brauchte sich dieseauch nicht nehmen lassen, wenn das auch nach Europaherüberspielt. Es wurde an der Stelle, wo man am meistengegen uns gewütet hat, eine Übersetzung gemacht dessen,was über uns nach Amerika geliefert worden ist, und dieseÜbersetzung wurde eingeleitet damit, dass man sagte:Zwar träte eine rosenkreuzerische Weltanschauung auch inEuropa zutage, aber in engherziger, jesuitischer Weise.Und erst in der reinen Luft Kaliforniens konnte sie weitergedeihen. – Nun, ich mache Punkte...! Das ist die Methodeunserer Gegner. Wir können nicht nur mit Milde, sondernsogar mit Mitleid diese Dinge ansehen, aber wir dürfenden Blick nicht davor verschließen.«11
Sodann richtete Rudolf Steiner auch während des Ersten
Weltkrieges, im Mai 1917, abermals die Aufmerksamkeit
auf Max Heindel:

»Der genialere Fall ist der, dass ein Herr, der früher inAmerika war, aber ein guter Europäer ist, vor einigen Jahrendurch ein altbewährtes Mitglied gerufen, hier inDeutschland sich aufhielt und sich alle möglichen Vorträgeangehört hat, überall auch mit großer Emsigkeit dieVorträge zu bekommen suchte, die seit Jahren gehaltenworden waren, indem er sie dem oder jenem abverlangte.Nachdem er alles getreulich eingepackt hatte, was er abgeschriebenhatte, ging er wieder nach Amerika. Er sagtedort, dass er hier gewesen sei, dass er sich mit meiner Lehrebekannt gemacht habe, dass er aber nicht zufrieden seinkönne mit meiner Lehre, sondern viel tiefer gehen müsse,daher würde man bei ihm manches finden, was in meinenBüchern noch nicht zu finden ist. Denn als er alles ausgeschürfthabe, was bei mir zu finden ist, da wäre er berufen

11 Rudolf Steiner in „Aus der Akasha-Forschung – Das Fünfte Evangelium“
(GA 148, Dornach 1985). Vortrag, Kristiania (Oslo), 6. Oktober 1913. S.
97. – In den „Hinweisen“ notierten die Herausgeber dieses Bandes: »Rudolf
Steiner bezieht sich hier auf Max Heindel, 1865-1919, der in den Jahren
1907/08 unter dem Namen Grashof zahlreiche Vorträge Rudolf Steiners
in Berlin anhörte und abgeschrieben hat, die er dann in seiner Schrift
Rosicrucian Cosmo-Conception or Christian Occult Science verarbeitet
hat.« Ebd. S. 334.

worden zu einem Meister, der da irgendwo in denTranssilvanischen Alpen haust; der habe ihm dann vielesmitgeteilt, das er jetzt seinem Buche einverleibe. Nun waraber alles das, was er seinem Buche einverleibte, dasjenige,was er hier in den Vorträgen abgelauscht und was er abgeschriebenhatte! Und dann wurde das Buch genannt: „RosenkreuzerischeWeltanschauung“. Es erschien in Amerikaund machte dort großes Aufsehen: das Buch also, daskombiniert war aus dem, was er hier von mir gehört hatte,und dem, was der Meister dann in den TranssilvanischenAlpen ihm gesagt haben soll. Nachzuprüfen brauchten dieLeute nicht, was von mir war, konnten es auch nicht, dennes war ja zum Teil in unseren interneren Vorträgen gesagtworden. Aber damit nicht genug, dass das nun als ein englisch-amerikanisch geschriebenes Buch erschien, sondernes fand sich eine deutsche Buchhandlung, die das Buchübersetzte und als „Weltanschauung der Rosenkreuzer“herausgab. Der Herausgeber war Dr. Vollrath.«12 13

Die Problematik schien Rudolf Steiner für lange Zeit nicht
losgelassen zu haben. So ergriff er im März 1921 ein weiteres
Mal die Gelegenheit, das Plagiat durch Heindel der
Kritik zu unterziehen. Zu diesem Zeitpunkt war Max
Heindel bereits verstorben,14 was seitens Rudolf Steiner
jedoch unerwähnt bleibt. Die nachfolgend zitierte Stelle ist
aufschlussreich, weil dort im Weiteren aufgezeigt wird,
wie das Bedürfnis, mit unbekannten, im Äußeren eigentlich
nicht auffindbaren „Meistern“ in Verbindung zu treten,
mit der Tendenz korrespondiert, eine zeitgemäße Spiritualität
nicht wirklich mit den eigenen Willenskräften
aufnehmen zu können.

»Es ist ja ganz außerordentlich erhebend vielleicht, zu sagen:Da oder dort, irgendwo im Verborgenen unzugänglich,da sitzt dieser oder jener „Meister“. – Von gewisserSeite her wurde ja einmal für Ungarn ein solcher bestimmterOrt angegeben, und einige naive Budapester habendann nachforschen lassen in den Polizeiakten und habenan dem betreffenden Ort diesen Meistersitz nicht gefunden!Wenn einem dann so etwas erzählt worden ist, dassauf diese Weise nachgegangen worden ist den großen geistigenMächten der Erde, dann konnte man ja nichts anderestun, als zu diesen Dingen etwas lächeln, denn es war

12 Rudolf Steiner in: „Die geistigen Hintergründe des Ersten Weltkrieges“
(GA 174b, Dornach 1994). Vortrag, Stuttgart, 11. Mai 1917. S. 200/01. –
Die Herausgeber notieren unter den „Hinweisen“: »Max Heindel, der sich
auch Grasshoff nannte. Über den Plagiator Heindel, der aus Werken und
Vortragszyklen Rudolf Steiners Bücher zusammenschrieb, die er unter seinem
Namen veröffentlichte, und der in Kalifornien eine okkulte Gesellschaft
begründete, vgl. Rudolf Steiner in „Mitteilungen für die Mitglieder
der Anthroposophischen Gesellschaft (Theosophischen Gesellschaft)“ Nr.
1, 1. Teil, Köln März 1913. S. 23« Ebd. S. 392.
13 Die Gründung der ‚Rosicrucian Fellowship’ geschah nicht in Kalifornien,
vielmehr erfolgte sie den Angaben Ger Westenbergs zufolge am 8. August
1909 um 3 Uhr nachmittags, in Seattle / Washington.
(Vgl.:http://mount_ecclesia.tripod.com/chronology_about_max_heindel.htm)
14 Die Bedeutung Max Heindels innerhalb des ‚Lectorium Rosicrucianum’ –
in seiner Frühzeit – kommt u.a. darin zum Ausdruck, dass noch 1946 der
Todestag Max Heindels, der 6. Januar, als „Bruderschaftstag“ begangen
wurde. Vgl. Peter Huijs, „Gerufen vom Herzen der Welt“ (Birnbach 2010).
S. 163.

eben auf Seiten derjenigen, die den Dingen nachgingen,auf diese Art, die also gewissermaßen nach den Postadressender geistigen Leiter der Menschheit suchten, naiv; wiees manchmal naiv war auf Seiten derjenigen, die so hindeutetenauf diese Dinge, als ob man nach Postadressenfragen könnte. Das will ich aber lieber nicht ausführen!Über diese Dinge haben allerdings mancherlei Menschenmancherlei Ansichten. So zum Beispiel trieb sich einmalunter uns herum ein gewisser – ja, wie nannte er sich dazumal?In seinen Büchern nannte er sich dann Max Heindel,aber hier hatte er einen anderen Namen, Grashofnannte er sich. Dieser Mann hatte hier zunächst alles dasjenigeaufgenommen, was er in öffentlichen Vorträgenund Büchern aufnehmen konnte. Davon hat er, etwas mystisch,ein Buch „Rosicrucian Cosmo-Conception“ gemacht,und dann hat er in eine zweite Auflage auch dasjenigeaufgenommen, was in den Zyklen steht, und was ersich sonst abgeschrieben hat. Darin hat er seinen Leutendrüben in Amerika erzählt, dass er ja allerdings die ersteStufe hier aufgenommen habe, aber um die zweite zu erringen,sei er tief nach Ungarn gewandert zu einem Meister.Von dem behauptete er dann dasjenige bekommen zuhaben, was allerdings bloß abgeschrieben war aus denZyklen, die er bekommen hatte, und namentlich aus alldenjenigen Vorträgen, die er sich erlistet hatte, und dienachzuschreiben ein bloßes Plagiat war! Einige von Ihnenwerden ja wissen, dass dann auch noch das Urkomischeeingetreten ist, dass diese Sache wiederum zurückübersetztworden ist ins Deutsche, mit dem Bemerken, dassman ja zwar in Europa auch so etwas haben kann, dass esaber besser sei, es in derjenigen Gestalt zu bekommen, inder es entstehen konnte unter der freien Sonne Amerikas.«15 16

Peter Huijs, ein hochrangiger Vertreter des ‚Lectorium’,
problematisiert in seiner Monographie über Entstehung
und Entwicklung der ‚Geistesschule des Goldenen Rosenkreuzes’
(des ‚Lectorium Rosicrucianum’) den Plagiatsvorwurf
gegen Max Heindel nicht eigens. Er vermeldet

15 Rudolf Steiner in: „Die Verantwortung des Menschen für die Weltentwikkelung“
(GA 203, Dornach 1989) Vortrag, Dornach, 28. März 1921. S.
304/05.
16 Gemäß den Auskünften einer anonym verfassten Studie („Heindel—
Steiner Connection“), veröffentlicht seitens des brasilianischen Zweiges
der ‚Rosicrucian Fellowship’ (‚Fraternidade Rosacruz’) musste sich Max
Heindel nicht nach Ungarn begeben. Denn dort heißt es, Heindel wäre eines
Nachts in Deutschland von einem Adepten des ‚Ordens vom Rosenkreuz’
aufgesucht und einer Probe unterzogen worden, die er bestand. In
den folgenden sechs Monaten habe Heindel sich unter Anleitung dieses
unbekannten „Bruders“ erfolgreich okkult schulen lassen. Dies sei vor sich
gegangen in einem „Rosenkreuz-Tempel“ im Osten Deutschlands. Er habe
von dem „Bruder“ die Unterweisungen entgegengenommen, welche die
Grundlage seiner „Cosmo-Conception“ bildeten.
(Vgl.:http://www.fraternidaderosacruz. org/Heindel-Steiner_resolution.pdf)
Der in Fußnote 13 erwähnte Ger Westenberg datiert die Erstbegegnung
Heindels mit jenem Adepten auf April / Mai 1908. – Eine Denkmöglichkeit
wäre, dass jener „Bruder“ aus Ungarn stammte, dass sich nur die Erstbegegnung
im Osten Deutschlands ereignete und dass sich die daran sich anschließenden
sechs Monate tatsächlich in Ungarn (oder Transsylvanien,
das wäre also eher Siebenbürgen) abspielten.
über dessen „Weltanschauung der Rosenkreuzer“ aber
doch dieses Detail:
»Den ersten Druck widmete Heindel Rudolf Steiner. In
späteren Ausgaben ist diese Widmung nicht mehr enthalten.
«17
In den Reihen des ‚Lectorium’ besteht offenkundig der
Wunsch nach höheren Stufen von Einheit, jenseits des dialektischen
Diskurses, wie es in den eingangs wiedergegebenen
Aussagen über Rudolf Steiner und Max Heindel
oder auch Jan van Rijckenborgh zum Ausdruck kommt.
Dies gleicht – unter den bestehenden Vorzeichen – einem
Verweisen auf erhoffte spirituelle Wirklichkeiten, ohne
erst einmal hier auf dem physischen Plan Klarheit herzustellen
und „aufzuräumen“. Nicht nur hier – insbesondere
auch in der akademischen Welt – ist ein Plagiatsvorwurf
etwas, das schwer wiegt. Sondern auch in spiritueller Hinsicht
besteht das, was Rudolf Steiner bezeichnet als das
„Gesetz der universellen Brüderlichkeit“:

„Aber es gibt inder geistigen Welt  ein ganz bestimmtes Gesetz, dessenganze Bedeutung wir uns durch ein Beispiel klarmachenwollen. Nehmen Sie einmal an, in irgendeinem Jahre hätteein beliebiger, regelrecht geschulter Hellseher dies oderjenes in der geistigen Welt wahrgenommen. Nun stellenSie sich vor, dass zehn oder zwanzig Jahre später ein andererebenso geschulter Hellseher dieselbe Sache wahrnehmenwürde, auch dann, wenn er von den Resultatendes ersten Hellsehers gar nichts erfahren hätte. Wenn Siedas glauben würden, wären Sie in einem großen Irrtum,denn in Wahrheit kann eine Tatsache der geistigen Welt,die einmal von einem Hellseher oder einer okkulten Schulegefunden worden ist, nicht zum zweiten Mal erforschtwerden, wenn der, welcher sie erforschen will, nicht zuerstdie Mitteilung erhalten hat, dass sie bereits erforscht ist.Wenn also ein Hellseher im Jahre 1900 eine Tatsache erforschthat, und ein anderer im Jahre 1950 so weit ist, umdieselbe wahrnehmen zu können, so kann er das erst,wenn er zuvor gelernt und erfahren hat, dass einer sieschon gefunden und erforscht hat. Es können also selbstschon bekannte Tatsachen in der geistigen Welt nur geschautwerden, wenn man sich entschließt, sie auf gewöhnlichemWege mitgeteilt zu erhalten und sie kennenzu lernen. Das ist das Gesetz, das in der geistigen Welt füralle Zeiten hindurch die universelle Brüderlichkeit begründet.Es ist unmöglich, in irgendein Gebiet hineinzukommen,ohne sich zuerst zu verbinden mit dem, wasschon von den älteren Brüdern der Menschheit erforschtund geschaut worden ist.“18


Zusammengestellt und eingeleitet
von Klaus J. Bracker
Tostedt, Dezember 2017
17 Peter Huijs, „Gerufen vom Herzen der Welt“ (a.a.O.). S. 77.
18 Rudolf Steiner in: „Das Prinzip der spirituellen Ökonomie“ (GA 109/111,
Dornach 1965). Vortrag, Budapest, 4. Juni 1909. S. 167 f.


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