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maandag 21 maart 2022

Sind die «okkulten Bruderschaften» eine Verschwörungstheorie? Friedwart Husemann


Sind die «okkulten Bruderschaften»
eine Verschwörungstheorie?
Friedwart Husemann
Es gibt in der Welt Kräfte, die das Gute bekämpfen. In der Ge-schichte vom Gral werden diese Kräfte auf das Schloss Chas-telmarveille, auf Klingsor und seine Gemahlin Iblis zurückge-führt. Goethe hat in seinem Faust dieselben Kräfte in Mephis-topheles verkörpert. In der Bibel gibt es in dieser Richtung Lu-zifer, Satan, Diabolos, den Antichrist und das zweihörnige Tier bzw. den Drachen bzw. Sorat. Es gibt eine ganze Hierarchie des Bösen. Einen gewissen Überblick dazu aus anthroposophi-scher Sicht gibt Hans Werner Schröder: «Der Mensch und das Böse», 3. Auflage, Stuttgart, 2001
In diesem Zusammenhang wichtig ist der Begriff der «schwarzen Magie» oder des «schwarzen Pfades». Natürlich sträuben sich dem «aufgeklärten Zeitgenossen» die Haare, wenn er schon nur dieses Wort hört. Man kann die Anthropo-sophie leicht diffamieren, wenn man nur solche Worte wie «Astralleib» – «Geheimwissenschaft» – «esoterisch» – «Akas-hachronik» oder «okkult» zitiert. Man braucht gar nicht zu sa-gen, was darunter zu verstehen ist, schon der ungewohnte Wortklang zeigt dem «aufgeklärten Zeitgenossen», dass es sich um einen Unsinn handeln muss. Wenn man aber tiefer eindringen will, geht es ohne diese Begriffe nicht.
Was schwarze Magie bzw. der schwarze Pfad ist, wurde von R. Steiner im letzten Kapitel von «Wie erlangt man Er-kenntnisse der höheren Welten?» (GA 10) ausführlich darge-stellt. Der große Hüter der Schwelle hält eine lange Rede, in welcher er zuletzt den Unterschied zwischen dem weißen und dem schwarzen Pfad erläutert. Der «aufgeklärte Zeitgenosse» ist wegen dieser «Schwarz-Weiß Malerei» schon wieder unzu-frieden. Aber Schwarz und Weiß sind gerade an dieser Stelle genau die richtigen Begriffe, weil es moralische Qualitäten sind. Der weiße Pfad führt «entweder zum Guten oder zu gar nichts». R. Steiner selbst rechnete sich zu den «Okkultisten des weißen Pfades.» Der schwarze Pfad dagegen ist die vollkom-mene Erfüllung des Egoismus. Den Begriff «Magie» muss man deswegen wählen, weil es sich nicht bloß um den persön-lichen Egoismus eines Menschen wie Du und ich handelt. Son-dern es werden übersinnliche Kräfte dazu benutzt, um sie für persönliche oder gruppenegoistische oder nationale Sonder-zwecke zu gebrauchen. Wenn dies der Fall ist, dass übersinn-liche oder okkulte Kräfte zu egoistischen Zwecken miss-braucht werden, dann handelt es sich um schwarze Magie. Weiße Magie ist demgegenüber, wenn bei der Betätigung übersinnlicher Kräfte die persönliche Opferbereitschaft des Einzelnen und in sozialer Hinsicht das Heil der gesamten Menschheit an oberster Stelle stehen.
Es ist vielleicht ein ungewohnter Wortgebrauch, aber in diesem Fall dient er dem Verständnis: es ist beispielsweise weiße Magie, wenn Sie ein Vaterunser beten, weil Sie damit nicht nur für sich, sondern für alle Menschen und die geistige Welt etwas Gutes tun. Das Wort «uns» oder «unser» kommt im Vaterunser neunmal vor. Ebenso ist es weiße Magie, wenn Sie an einem Gottesdienst teilnehmen oder eine Meditation durchführen oder einem lieben Verstorbenen einen spirituellen Text vorlesen, wie R. Steiner oftmals empfohlen hat. Viele weitere Beispiele weißer Magie könnten wir hier anführen.
Schwarze Magie ist demgegenüber das, was wir zwar vermeiden wollen, was wir aber kennenlernen und durch-schauen müssen. Das Urbild der schwarzen Magie – und damit kommen wir auf das Symbol des Grals zurück – ist die Ent-hauptung Johannes des Täufers. Sie wird bei Matthäus und Markus beschrieben. Salome, die Tochter der Herodias, wünschte sich das abgeschlagene Haupt Johannes des Täufers in einer Schüssel liegend. Dieses Bild braucht man nur einmal gesehen zu haben, um es nie wieder zu vergessen. Rudolf Stei-ner bezeichnete das «blutige Haupt in der Schüssel» als «schwarzmagisches Gegenbild der reinen Gralskräfte» (W. J. Stein: «Weltgeschichte im Lichte des heiligen Gral», Stuttgart, 1966, S. 115).
Es lohnt sich, bei diesem Bild etwas zu verweilen, weil wir daran viel lernen können. Wir sind dieses Bild durch die vielen malerischen Gestaltungen so gewohnt, dass wir die Unbefangenheit darüber verloren haben. Unbefangen betrach-tet ist es doch eine freche Unverschämtheit, eine solche Untat zur Schau zu stellen. Wie wenn man sich seiner eigenen Bos-heit und Schamlosigkeit noch rühmen wollte. Andererseits ist so etwas nur deswegen möglich, weil eine raffinierte Zeremo-nie inszeniert wird. Es ist eben nicht irgendein Bild, sondern es wird das Heiligste der Mondenschale, die den Sonnengeist trägt, nachgeahmt, nachgeäfft und ins Gegenbild verkehrt. Dadurch ist es auf geheime Weise sehr wirksam. Auf dieselbe Art und Weise haben die Nazis das Hakenkreuz, welches ein Gegenbild der vierblättrigen Lotusblume ist, missbraucht. Ebenso das Wort «Führer», welches in Wahrheit für die Chris-tuswesenheit gilt (GA 15, I). In ähnlicher Weise haben sie es mit vielen anderen Dingen gemacht.
Weiterhin ist bemerkenswert, dass das schwarzmagi-sche Gegenbild des Grals schon auftrat, bevor der Gral da war. Der Ursprung des Gral ist das Karfreitagsmysterium, bei dem das Blut des Erlösers zur Erde floss. Als Johannes der Täufer enthauptet wurde, war das Mysterium von Golgatha aber noch gar nicht geschehen. Den Menschen bewusst wurde der Gral erst im 9. Jahrhundert, und damals nur einigen Eingeweihten. Bis dahin hatten anstelle der Menschen bestimmte Engelwesen den Gral behütet (GA 26, Kap. «Gnosis und Anthroposo-phie»). Erst im 11. Jahrhundert wurde der Gral als Erzählung öffentlich. Richard Wagner im 19. Jahrhundert hat mit seinem «Parsifal» einen weiteren Schritt in Richtung Öffentlichkeit und Kulturfaktor getan. Die schwarzmagischen Gegenkräfte dagegen wussten vom Gral schon vor dem Gral, sie haben das alles vorausschauend beurteilen können, um entsprechende Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Diese spirituelle Prophetie-Fähigkeit der Widersachermächte müssen wir uns klar ma-chen. Man darf nicht zu klein von diesen Kräften denken. Die Menschen, die den Gegengral vertreten, haben professionell ausgefeilte Methoden der Geistesschau und wollen damit das Böse bewirken.
Die Gemeinschaftsbildung der Gralsritter, die um die Christuswesenheit sich gliedert, wird von den Kräften des Ge-gengrals ebenfalls in ihr Gegenteil verkehrt. Das sind die so-genannten «okkulten Bruderschaften», von denen R. Steiner als Drahtzieher des ersten Weltkrieges ausführlich gesprochen hat (GA 173 a-c, der längste zusammenhängende Zyklus, den R. Steiner je gehalten hat). Der Zusammenhang der okkulten Bruderschaften mit den Gemeinschaften des Gegengrals ergibt sich aus den mitgeteilten Zusammenhängen ohne weiteres. In Klingsor sah R. Steiner entsprechend die «schlimmsten Kräfte orientalischer Zauberei» wirksam (GA 144, 7.2.1913). Wer sonst nicht Bescheid weiss, sieht in so etwas wie «okkulten Bruderschaften» natürlich den Inbegriff einer «Verschwö-rungstheorie.» Aber es kommt ja nicht auf solch eine inzwi-schen genugsam erschöpfte Phrase an, sondern darauf, wer et-was sagt und welche Tatsachen zugrunde liegen. Das alles muss man immer prüfen.
Die sogenannten «okkulten Bruderschaften» gibt es laut R. Steiner (GA 173 c, 20.1.1917) in «ungeheuer großer Zahl». Sie betreiben «zeremonielle Magie» (ebenda). Sie er-reichen damit für sich selbst eine Art von «ahrimanischer Un-sterblichkeit» (ebenda). Diese Bruderschaften sind «Asseku-ranzgesellschaften ahrimanischer Unsterblichkeit» (ebenda). Damit können sie als Verstorbene die Wirksamkeit der beab-sichtigten bösen Impulse verstärken.
Wenn man über so etwas wie «Versicherungsgesell-schaften der ahrimanischen Unsterblichkeit» nachdenkt, kommt man unweigerlich auf unser ägyptisches Erbe zurück. Damals sollten mithilfe der Mumifizierung die physischen Leiber konserviert werden. Deswegen herrscht heute der Ma-terialismus, der den Stoff anbetet. Was damals die Mumifizie-rung war, sind heute die schwarzmagischen Impulse, die mit-hilfe verstorbener und dazu präparierter Seelen unsterblich ge-macht werden sollen. Und tatsächlich ist es so, dass die zere-monielle Magie jener okkulten Bruderschaften gelenkt und ge-leitet wird von denjenigen Engeln, die im Laufe der ägypti-schen Zeit sich der Führung des Christus nicht unterstellt ha-ben. R. Steiner zitiert am 20.1.1917 in GA 173 c in diesem Zusammenhang aus GA 15, wo er von diesen zurückgebliebe-nen Engeln gesprochen hat und erinnert daran, dass ohne diese Gegenmächte unsere Kultur des Guten und Schönen zu wenig notwendige Schwere haben würde. Die Opposition muss sein, aber ebenso ihre Überwindung, damit das Gute siegt.
Wesentliche Ziele dieser Gesellschaften sind: sie wollen den «Materialismus noch übermaterialisieren» (GA 173 c, 20.1.1917). Ihre Methode ist die systematische Ausnüt-zung dessen, was Lüge und Verlogenheit ermöglichen: «Und es ist schon eine wichtige magische Verrichtung, das Unwahre in der Welt so zu verbreiten, dass es wie das Wahre wirkt. Denn in dieser Wirkung des Unwahren wie des Wahren liegt eine ungeheure Kraft des Bösen. Und diese Kraft des Bösen wird von den verschiedenen Seiten her ganz gehörig ausge-nützt» (ebenda). Der Journalismus in diesem Sinne ist ein wichtiger Helfer solch «grauer oder schwarzer Magie».
Weitere Folgerungen und Bezüge zur Gegenwart drängen sich auf. Worauf es mir ankam, ist, dass die «okkulten Bruderschaften» im Zusammenhang mit dem Gegengral und im Zusammenhang mit unserem ägyptischen Erbe durchaus plausibel sind.
Vor einigen Wochen bezeichnete Prof. Helmut Zan-der die «okkulten Bruderschaften» im Werk R. Steiners als ty-pisches Beispiel einer anthroposophischen Verschwörungsthe-orie (Interview in der Süddeutschen Zeitung am 24.11.2021, S. 9). Als Antwort darauf ist der vorliegende Artikel zu verste-hen.



 



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