Geopolitik und Brüderschaften des Westens
Bestätigungen zu Voraussagen und Einschätzungen
Rudolf Steiners
Für ‹Ein Nachrichtenblatt› Nr. 1 vom 12. Januar 2020 schrieb Friedwart Husemann einen Text mit dem Titel: «Woran erkennt man, dass Rudolf Steiner wissenschaftlich exakt hellsehen konnte». Er belegte darin anhand von sie-ben Beispielen aus Naturwissenschaft und Medizin, dass Rudolf Steiner Tatsachen vorhergesagt hatte, die hinterher durch die Naturwissenschaft bestätigt wurden.
In vorliegendem Text soll es nun um Aussagen Rudolf Steiners gehen, die er in Bezug auf zeitgenössische und künftige Ereignisse in der Weltpolitik gemacht.
1. Im Vortrag vom 4. Dezember 1916 (GA 173a) sprach Rudolf Steiner von gewissen „okkulten Bruderschaften des Westens“ mit weitreichenden Zielsetzungen.
Die okkulten Bruderschaften des Westens dächten in langen Zeiträumen und hätten eine Weltherrschaft der Englisch-Sprachigen als Ziel. Im Vortrag vom 26. Dezember 1916 in Dornach sagte Rudolf Steiner,
«daß in den heranwachsenden und namentlich seit Ja-kob I. besonders groß werdenden okkulten Bruderschaf-ten seit Jahrhunderten wie eine selbstverständliche Wahrheit gelehrt worden ist, daß an die „angelsächsi-sche Rasse“ – so sagt man eben in diesem Zusammen-hange, … – alle Weltherrschaft der fünften nachatlanti-schen Zeit übergehen müsse … »13
Eine Geheimgesellschaft zum Erhalt und Ausbau des British Empire wurde tatsächlich von Cecil Rhodes gegründet. Ende 1891 bestand seine „Society of the Elect“ aus Cecil Rhodes, W. T. Stead, Reginald Brett (Lord Esher), Arthur Balfour, Albert Grey, Lord Selborne und Alfred Milner.14 Lord Esher stand in engem Kontakt zum Kronprinzen und späteren Kö-nig Edward VII, der wesentlich dazu beitrug, die Entente Cordiale zwischen England und Frankreich zustande zu brin-gen.
Der Historiker John P. Cafferky schreibt in „Lord Milner’s Second War“ im 4. Kapitel, wie die Milner-Gruppe Sir Charles Hardinge und Sir Edward Grey ins britische Au-ßenministerium hineinbringen:
«Mit Rückendeckung durch den König wurde Hardinge zuerst stellvertretender Unterstaatssekretär im Außen-amt, dann Botschafter in St. Petersburg. … 1906 hatte
13 Rudolf Steiner, Das Karma der Unwahrhaftigkeit, Vortrag 26. Dezember 1916, GA 173b, Taschenbuchausgabe, S.101
14 John P. Cafferky, Lord Milner’s Second War, 2013, S. 18
Hardinge das Außenamt übernommen, indem er die Po-sition eines ständigen Unterstaatssekretärs errang… Die Milner-Gruppe beendete ihre Übernahme des Außenmi-nisteriums schließlich im Dezember 1905 durch die Er-nennung von Sir Edward Grey zum Außenminister.»15
Die zentrale Figur in dieser Geheimgesellschaft war Alfred Milner. Er war „optimal vernetzt“, wie man heute sagen wür-de, das heißt, er beeinflusste weitere Kreise und an ihm kann man beispielhaft beobachten, wie der Einfluss eines Mit-glieds einer okkulten Bruderschaft die anglo-amerikanischen Eliten „lenkte“. Er nahm z. B. teil an einem illustren Dining Club, „The Coefficients“ genannt, wo er Sir Halford Mackin-der, den Vater der modernen Geopolitik, begegnete. Halford Mackinders Karriere wurde von Alfred Milner finanziert, der ja das Rhodes-Vermögen verwaltete.16
Und darüber hinaus war Alfred Milner auch noch geistiges Oberhaupt eines weiteren Kreises: Einer Gruppe, die sich „The Round Table“ nannte. Durch diese Gruppe übte Milner parteiübergreifend Einfluss auf die britischen Eliten und die Eliten des Empire aus. Dies geschah durch Herstellung eines außerparlamentarischen Konsenses bezüglich einer bestimm-ten politischen Agenda, vor allem in der Außenpolitik. So-bald ein strategisches Ziel gesteckt war, setzte die Round Table Bewegung alle verfügbaren Mittel ein, um es zu errei-chen, auch Manipulation, was die Gruppe „Modellieren“ der öffentlichen Meinung nannte. Eine weitere, wichtige Vorge-hensweise zum Erreichen eines strategischen Zieles waren koordinierte und orchestrierte Handlungen durch ein Netz-werk von miteinander verbundenen Personen und Organisati-onen. Dank des Kollateralismus einiger historischer Instituti-onen der Universität Oxford – All Souls College, vor allem aber auch Balliol, New College und des Rhodes Trust- und einer totalen Kontrolle über die damalige Qualitätspresse wie The Times und The Observer und anderen konnte der Round Table zwischen 1910 und 1940 enormen Einfluss ausüben.
Die Round Table Gruppe schuf eine Vierteljahresschrift mit dem Namen „The Round Table“, die sich voll und ganz dem Empire und der Außenpolitik widmete und sich, als elitäre Zeitschrift, vor allem an diejenigen im gesamten Empire rich-tete, die in der Lage waren, die öffentliche Meinung zu beein-flussen, also Zeitungen, Hochschulen und Thinktanks.
London war zu Beginn des Jahrhunderts das Zentrum eines weltweiten metropolitanen politischen Journalismus.17
Im September 1915 erschien ein „anonymer“ Artikel in der „Round-Table-Zeitschrift, der von Philip Kerr geschrieben worden war, einem der wichtigsten Gefolgsleute von Lord
15 John P. Cafferky, Lord Milner’s Second War, 2013. S. 68
16 „June 16 – The Shadow of 1916 on Britain’s Momentous EU Decision: In, Out or Something Else?“: ab ca. 38:12: https://www.youtube.com/watch?v=1yqD3CmiU9c
17 Andrea Bosco, The Round Table Movement And the Fall of the „Second“ British Empire (1909-1919), S. 8-10
Milner und späteren Sekretär von Lloyd George. Der Artikel enthielt Ideen über einen „Weltstaat“:
«Solch ein Staat muss sich über alle anderen hinwegset-zen. Tatsächlich wird er der einzige Staat sein. [...] Un-terhalb dieser Ebene kann es wie zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine unbestimmte Zahl nationaler Einheiten geben, aber das oberste Gesetz wird das Weltgesetz sind, das sich über das nationale Gesetz dort hinweg-setzt, wo es mit ihm in Konflikt tritt und dem alle Be-wohner des Planeten verpflichtet sind.»18
2. Rudolf Steiner erkannte, dass in den Jahrzehnten vor dem Ersten Weltkrieg der eigentliche Rivale des British Empire das Russische Zarenreich war:
«Diejenigen Mächte, welche in der letzten Zeit auf-grund des über die Welt hereingebrochenen Imperialis-mus am intensivsten zusammenstießen, weil sie inner-halb des in Betracht kommenden Territoriums die größ-ten Mächte sind, jene Imperien, die in Wirklichkeit in der stärksten Feindschaft miteinander leben – solche in-neren Feindschaften können sich ja äußerlich als Freundschaften dokumentieren, als Allianzen, wie man besser sagt -, sind das britische Imperium und das russi-sche Imperium. ...
Wenn man Ziele verfolgt, Herrschaftsziele, so kann man diese durch Krieg oder auf andere Weise verfolgen, je nachdem einem das eine oder das andere günstiger er-scheint. Nun, für das britische Imperium schien es zu-nächst günstiger, Rußland vorläufig – bei Staaten rech-net man ja immer mit Zeiträumen – abzuhalten, sich ge-gen Indien hin vorzuschieben, indem man ihm einen andern Auslaufkanal gab. Es schien günstiger, es nach einer andern Richtung hin zu beschäftigen, um den selbstverständlichen Ehrgeiz des russischen Imperiums – Imperien sind immer ehrgeizig – zu sättigen ...»19
Dieser „andere Auslaufkanal“ waren die von Südslawen be-wohnten Balkangebiete, die aber damals noch teilweise zu Österreich-Ungarn – Deutschlands Verbündeten – gehörten.
Eine Bestätigung dieser Erkenntnis der Rivalität zwischen dem British Empire und Russland liefert der heutige Histori-ker John Charmley in seinem Werk „Splendid Isolation?“ London, 1999. Der britische Staatsmann Robert Gascoyne-Cecil, 3. Marquess of Salisbury überlegte sich schon im Jahre 1885 Strategien, wie das zaristische Russland, in Schach ge-halten werden konnte und entwickelte dabei drei Langzeit-Strategien, die bis heute alle zur Anwendung gekommen sind. Charmley zitiert sie in seinem Buch auf S. 201, unten (übersetzt):
18 Philipp Kerr, nach: Markus Osterrieder: Welt im Umbruch – Nationalitä-tenfrage, Ordnungspläne und Rudolf Steiners Haltung im Ersten Welt-krieg, 2014, S.1395
19 Rudolf Steiner, Vortrag 8.1.1917, GA 173 b, Taschenbuchausgabe, S.257-258
Er [Salisbury] erklärte dem neuen britischen Botschafter in St. Petersburg, Sir Robert Morier im Jahre 1885]: Russlands einziger wunder Punkt seien „seine Zah-lungsschwierigkeiten“ und «wenn wir Russlands chro-nischer Feind werden, müssen wir unsere Anstrengun-gen auf diesen wunden Punkt richten. Wir müssen es so stark wie möglich in Ausgaben treiben», so dass «nur wenige Schritte weiter es in eine Revolution getrieben wird, die ständig über ihm zu schweben droht.» … Russland sei «wirklich unverwundbar in Bezug auf mi-litärische Angriffe ... »
und auf S. 213:
«Die Zeit und das Glück könnten die Antwort auf das russische Problem bringen: Revolution, Widerbelebung des Islam oder Krieg gegen Deutschland … »
3. Rudolf Steiner erkannte, dass die „Oberen“ der Jesu-iten und die „Oberen“ der Freimaurer zusammenarbei-teten
Im Berliner Mitgliedervortrag vom 4. April 1916 sagte Ru-dolf Steiner:
«Die Jesuiten bekämpfen selbstverständlich aufs wü-tendste die freimaurerischen Gemeinden, die freimau-rerischen Gemeinden bekämpfen aufs wütendste die Jesuiten-Gemeinden; aber Obere der Freimaurer und Obere der Jesuiten-Gemeinden gehören den höheren Graden einer besonderen Bruderschaft an, bilden ei-nen Staat im Staat, der die anderen umfaßt. Denken Sie sich, was man in der Welt wirken kann, wenn man so wirken kann, daß man auf der einen Seite zum Bei-spiel der Obere einer freimaurerischen Gemeinde ist, die also als Instrument dient, um zu wirken, und man sich verständigen kann mit dem Oberen einer Jesuiten-Gemeinschaft, um eine einheitliche Handlung vorzu-nehmen, die nur vorgenommen werden kann, wenn man einen solchen Apparat zur Verfügung hat.»20
Und hier kann die Verfasserin ein sehr prominentes Bei-spiel liefern, wie „Obere“ der Jesuiten und „Obere“ der Freimaurer zusammenarbeiteten:
Die Ideen von Salisbury wurden oben bereits dargelegt – eine davon war, Russland und Deutschland gegeneinander kämp-fen zu lassen. Kronprinz Edward, der spätere König Edward VII, hatte schon ab etwa 1887, zusammen mit Papst Leo XIII, ebenfalls diese Vision eines neuen politischen Kurses – weg von einem wohlwollenden Verhältnis mit den Mittel-mächten – hin zu Frankreich und Russland. Papst Leo XIII hatte daraufhin entscheidend dazu beigetragen, das Bündnis zwischen dem russisch- orthodoxen Zarenreich und der lai-zistischen Französischen Republik gegen das katholische Ös-
20 R. Steiner, Vortrag 4. April 1916, Zeichen, Griff und Wort, GA 167, S. 104
terreich und gegen Deutschland zustande zu bringen.21 1887 wandte sich Salisbury an Count Chaudordy. Gemeinhin denkt man ja immer, dass einflussreiche Engländer mit dem „Heili-gen Stuhl“ nichts zu tun hätten, doch der Herzog von Nor-folk, der höchstrangige Duke Englands und ein enger Freund Lord Salisburys, war Katholik – denn seit 1572 trägt diesen Titel immer ein Katholik – wandte sich daraufhin an Papst Leo XIII und Kardinal Rampolla und kommuniziert dieses „Bild für das 20. Jahrhundert“. Der russische Diplomat Ale-xander Iswolski wurde von 1887 - 1898 russischer Botschaf-ter am Heiligen Stuhl. Der Papst bewegte sich auf den Zaren zu. Papst Leo befahl den französischen Katholiken, sich der („freimaurerischen, atheistischen“) Dritten Republik zu fü-gen. Der Papst befahl den polnischen Katholiken, sich dem (orthodoxen) Russland zu unterstellen. Somit stand einem Bündnis zwischen Frankreich und Russland nichts mehr im Wege.22
Und nun kann man fragen: Was hat das mit Jesuitismus und Freimaurerei zu tun? Sehr viel, denn der Clou ist, dass, laut Robert A. Minders „Freimaurer Politiker Lexikon“ Eduard VII., König von Großbritannien, als Prinz von Wales Groß-meister der Vereinigten Großloge von England war, nämlich von 1875-1901. Er war also ein „Oberer“ der Freimaurer. Papst Leo XIII war sehr stark jesuitisch geprägt – er war ein „Oberer“ der Jesuiten. Alexander Petrowitsch Iswolski, der über ein Jahrzehnt lang Botschafter Russlands am Heiligen Stuhl war, war ebenfalls Freimaurer, wie Franz Schweyer auf Seite 5 in seinem Buch „Die Geheimbünde“ schrieb. Iswolski hat massiv dazu beigetragen, die Feindschaft Russlands ge-gen Österreich-Ungarn und Deutschland zu schüren. Auf Kö-nig Edwards persönliche Empfehlung stieg er zum Außenmi-nister Russlands auf. Bundesbrüder helfen einander eben. Is-wolski hatte auch wesentlich dazu beigetragen, dass Großbri-tannien und Russland ihre Streitigkeiten um Persien, Tibet und Afghanistan beilegen konnten.23
Und die Verfasserin hat noch etwas Interessantes gefunden:
Cecil Rhodes und Alfred Milner sowie Edward Grey waren auch Freimaurer: Laut Freimaurer Politiker Lexikon von Ro-bert A. Minder waren Cecil Rhodes und Edward Grey Mit-glieder in der Apollo University Lodge in Oxford. Alfred Milner war Großaufseher der Großloge von England. Somit standen Milner auch dort Rekrutierungsmöglichkeiten für seine weitreichenden Pläne zur Verfügung.
21 Professor Evgenij A. Adamow: Die Diplomatie des Vatikans zur Zeit des Imperialismus. Berlin, 1932
22 Wolfgang Effenberger: Europas Verhängnis 14/18 – Kritische angloame-rikanische Stimmen zur Geschichte des Ersten Weltkriegs, Höhr-Grenzhausen 2018, S. 30-33
23 Gerry Docherty & Jim Macgregor: Verborgene Geschichte, S. 138
4. Rudolf Steiner wies darauf hin, dass okkulte Brüder-schaften die Philosophie von G.W.F. Hegel als Hand-lungs-Grundlage benutzen:
Rudolf Steiner sagte im Vortrag vom 4. Dezember 1920:
„Hegel hatte ja nicht den Gedanken im Auge, der sich im Menschen ausbildet. Die ganze Welt war ihm im Grunde genommen nur eine Offenbarung der Gedanken. Also er hatte den kosmischen Gedanken im Auge. … Aber es ist doch außerordentlich interessant, daß, wenn man zu den Geheimgesellschaften des Westens kommt, dann in einer gewissen Beziehung es als eine Lehre der tiefsten Esote-rik angesehen wird, daß die Welt eigentlich aus Gedanken gebildet wird. Man möchte sagen: Das, was Hegel so naiv hinsagte von der Welt, das betrachten die Geheimgesell-schaften des Westens, der anglo-amerikanischen Mensch-heit nun als den Inhalt ihrer Geheimlehre, und sie sind der Ansicht, daß man eigentlich diese Geheimlehre nicht po-pularisieren sollte. – So grotesk sich das auch zunächst ausnimmt, man könnte sagen: Hegels Philosophie ist in einer gewissen Weise der Grundnerv der Geheimlehre des Westens.“24
Eine Weltherrschaft – die ja das Ziel der westlichen Geheim-gesellschaften war, erringt man nur dadurch, dass man die lokalen Mächte durch wirtschaftliche, militärische und politi-sche Mittel außer Kraft setzt und in überstaatliche oder supra-staatliche Organisationen einbindet, die man selbst be-herrscht. Dies wird von den westlichen Bruderschaften ge-zielt herbeigeführt, indem Konflikte zwischen gegensätzlich aufgestellten Staaten, Weltanschauungen und Religionen er-zeugt und diese in selbstzerstörerische Konflikte hineinge-trieben werden.
G.W.F. Hegel hat in seiner „Wissenschaft der Logik“ die Lehre entwickelt, dass Begriffe und Ideen in einer zwingend notwen-digen Reihenfolge auseinander hervorgehen. Was das in der Anwendung bedeuten kann, fasst Herbert Ludwig in seinem Artikel „Die geheime Macht-Elite hinter dem anglo-amerikanischen Imperialismus“ folgendermaßen zusammen:
«Die westlichen Geheimgesellschaften erkannten die ungeheuer praktische Bedeutung, die dieser Leh-re Hegels innewohnt. Sie sagten sich: Wer das We-sen dieser Gedankenformen und ihre typische Rei-henfolge begriffen hat, kann Ereignisse und Ent-wicklungen in weltpolitischen Dimensionen gezielt in seinem Sinne in Gang setzen. Daher tun sie alles, um Hegels Lehre, die ja sowieso nur von wenigen gelesen und verstanden wird, geheim zu halten. Sie ist Inhalt ihrer Geheimlehre. Denn geheimes Wissen bedeutet Macht.» … Hegel begreift alles Sein der Welt als Entwicklungsprozess, als ein ständiges Werden und Vergehen, das sich in Gedankenbewe-gungen vollzieht und erfassbar wird. Es verläuft ständig in Gegensätzen, die auseinander hervorge-hen, wechselseitig umschlagen, und ineinander wie-
24 Rudolf Steiner: Vortrag, Dornach 4.12.1920, GA 202, S. 59/60
der übergehen. Dies wird häufig als Dialektik von These, Antithese und Synthese bezeichnet, was aber in dieser Abstraktheit die innere Dynamik nur un-vollkommen und leicht missverständlich beschreibt Die westlichen okkulten Zirkel machen sich diese Hegelsche Lehre missbräuchlich zunutze, indem sie selbst willkürlich Gegensätze für eine gewünschte Entwicklung in Gang setzen, um sich dann zu Her-ren über das Ergebnis zu machen.»25
Eine solche Geheimgesellschaft ist z. B. der Orden „Skull & Bones“ an der Yale Universität, über die der Wirtschaftshis-toriker Antony Sutton einiges herausgefunden hat. Die Taten des Ordens seien darauf ausgerichtet,
«die Gesellschaft zu verändern, die Welt zu verändern und eine Neue Weltordnung hervorzubringen. Diese wird eine durchgeplante Ordnung mit stark beeinträch-tigten individuellen Freiheiten sein, ohne verfassungs-rechtlichen Schutz, ohne nationale Grenzen oder kultu-relle Unterschiede.»26
Leider hat Anthony Sutton die Hegelsche Philosophie ver-kannt. Er hielt sie für eine subjektive Erfindung eines gefähr-lichen Philosophen, der glaubte, dass sich alle Entwicklung – nach These, Antithese und Synthese – in Gegensätzen voll-ziehe. Sutton beschreibt in „America’s Secret Establishment – An Introduction to the Order of Skull & Bones“, wie der Orden sich diese vereinfachte Theorie, die Hegels Philoso-phie stark reduziert, zur Handlungsgrundlage gemacht hat, indem diese Geheimgesellschaft bewusst Konfliktsituationen, erzeugt, um sie kontrolliert in eine gewünschten Synthese zu überführen. Die These sei der Aufbau der Sowjetunion gewe-sen. Bereits in seinem 1974 erschienenen Buch: „Wall Street And The Bolshevik Revolution“ hatte Sutton die bedeutende Hilfe der Wall Street für die bolschewistische Revolution be-schrieben und in seinem Buch über Skull & Bones brachte er die früher gefundenen Beweise für diese Verpflechtungen der Wall Street mit dem Orden als dem Lenker im Hintergrund in Verbindung. Dafür wurde der globale Arm der Guaranty Trust Company in New York unter Kontrolle der J. P. Mor-gan Bank geschaffen. Neun Ordensmitglieder spielten darin eine Rolle und eine der wichtigsten Schlüsselfiguren in die-sem Zusammenhang war William Averell Harriman, der 1913 bei Skull & Bones aufgenommen worden war.
Die Antithese sei die Unterstützung und Finanzierung des Nationalsozialismus gewesen, was Sutton im Kapitel: „Anti-thesis: Financing the Nazis“ beschreibt.27 Auch der Histori-ker Guido Giacomo Preparata schreibt in „Wer Hitler mäch-tig machte“, die Finanzierung der Nationalsozialisten aus dem Ausland:
25 Herbert Ludwig: https://fassadenkratzer.wordpress.com/2016/08/29/die-geheime-macht-elite-hinter-dem-anglo-amerikanischen-imperialismus/
26 Antony Sutton, America’s Secret Establishment – An Introduction to the Order of Skull & Bones, S. 31
27 A.a.O. S. 164.
«Thyssen begann 1931, Hitler durch Überweisungen auf das Konto seines Stellvertreters Hess bei einer hol-ländischen Bank zu finanzieren. Diese Bank war mit ei-ner Wall-Street-Niederlassung namens Union Banking Corporation verknüpft. Die wiederum war eine Toch-tergesellschaft von Harriman Brown Bros., die von Prescott Bush geleitet wurde. 1934 bestätigte der Aus-landskorrespondent des Manchester Guardian das weit verbreitete Gerücht, dass der Hauptteil der Nazifinan-zierung ausländischen Ursprungs war: [Zitat aus dem Guardian:] ‹Hitler standen umfangreiche Geldmittel zur Verfügung, die nicht nur aus deutschen Quellen stamm-ten. Er bekam von gewissen kapitalistischen Interessen-gruppen im Ausland Geld, die von seiner Feindschaft gegenüber Russland oder seiner Politik, welche die Nachfrage nach Waffen verstärkte, angezogen wurden› … »28
5. Rudolf Steiner sagte im Vortrag vom 6. Januar 1917, dass von England aus versucht worden sei, das soge-nannte „Mutterland“ mit seinen Kolonien in einem en-geren Verbande zusammenzuschweißen:
«Dazu brauchte es einen Impuls, der sich gewisser-maßen in die Herzen der Menschen hineinstahl, so daß diese nun auf das, was sie sonst nicht zugeben würden, eingehen. Und damit hängt nun die Mei-nung zusammen: Es muß in Europa Krieg geführt werden, damit aus der Stimmung dieses Krieges das herauskommt, was an Impulsen notwendig ist für das Britische Reich – notwendig, um seine Kolonien mit dem Mutterlande zu vereinheitlichen.»29
Andrea Bosco, italienischer Professor für Politikwissen-schaft, der Sir Alfred Milners elitäre, britische „Round-Table-Group“ erforscht, bestätigt dies in seinem, 2017 bei Cambridge Scholars Publishing herausgebrachten histori-schen Werk mit dem Titel: The Round Table Movement and the Fall oft the „Second British Empire“ (1909-1919) auf S. 15:
(Übersetzt): «Ohne die Schaffung einer „äußeren Bedrohung“ wäre der Versuch, die politische Union des Empire zu verwirklichen, zum Scheitern verur-teilt gewesen. Um zu überleben, brauchte das Em-pire dringend den Hunnen, den Gegner, in ideologi-scher, politischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Oh-ne eine „externe Bedrohung“ wäre das Empire mög-licherweise schon vor 1914 zerfallen, und das Ver-einigte Königreich wäre möglicherweise in einen Bürgerkrieg verwickelt worden, um die Abspaltung Irlands zu verhindern.»
28 Guido Giacomo Preparata: Wer Hitler mächtig machte, Basel 2012, S. 267
29 R. Steiner, Vortrag v. 6.1.1917 GA 173b, Taschenbuchausgabe v. 2010, S. 221
6. Rudolf Steiner sagte im Vortrag vom 1. 12. 1918 in Dornach, dass die westlichen Geheimgesellschaften Russ-land für „sozialistische Experimente“ benutzen wollten:
«Um was es sich handelt, ist doch, dass in den ihr Wis-sen geheim haltenden Zirkeln des Westens sehr darauf gesehen wird, dass gewisse Dinge sich so herausbilden, dass dieser Westen unter allen Umständen über den Os-ten die Herrschaft erwirbt … dasjenige, was angestrebt wird, ist, eine Herrenkaste des Westens zu begründen und eine wirtschaftliche Sklavenkaste des Ostens, die beim Rhein beginnt und weiter nach Osten bis nach Asien hinein geht. … Darum handelt es sich, die eng-lisch sprechende Bevölkerung zu einer Herrenbevölke-rung der Erde zu machen.»30
Und im Vortrag vom 21.3.1921 sagte er:
«Bei gewissen Hintermännern … der angelsächsischen Politik besteht eine politische Anschauung, die ich in zwei Hauptsätzen zusammenfassen möchte: Erstens be-steht die Ansicht – und es ist eine größere Anzahl von Persönlichkeiten, welche hinter den eigentlichen äuße-ren Politikern, die zuweilen Strohmänner sind, stehen, durchdrungen von dieser Ansicht –, dass der angelsäch-sischen Rasse durch gewisse Weltentwicklungskräfte die Mission zufallen müsse, für die Gegenwart und Zu-kunft vieler Jahrhunderte eine Weltherrschaft, eine wirkliche Weltherrschaft auszuüben … Das zweite ist dies: Man weiß, dass die soziale Frage ein weltge-schichtlicher Impuls ist, der unbedingt sich ausleben muss. Es gibt keinen der Führenden unter den angel-sächsischen Persönlichkeiten, die in Betracht kommen, der nicht mit einem, ich möchte sagen, außerordentlich kalten, nüchternen Blick sich sagte: Die soziale Frage muss sich ausleben. – Aber er sagt sich dazu: Sie darf sich nicht so ausleben, dass die westliche, die angel-sächsische Mission dadurch Schaden erleiden könnte. Er sagt da fast wörtlich, und diese Worte sind oft ge-sprochen worden: Die westliche Welt ist nicht dazu an-getan, dass man sie ruinieren lasse durch sozialistische Experimente. Dazu ist die östliche Welt angetan. – Und er ist dann von der Absicht beseelt, diese östliche, na-mentlich die russische Welt, zum Felde sozialistischer Experimente zu machen.»31
Tatsächlich gab es zwei „eingeweihte Hintermänner“ der an-gelsächsischen Politik: Der einflussreiche Journalist und Spi-ritist William Thomas Stead – Mitglied von Cecil Rhodes „Society of the Elect“ – und der Okkultist Charles George Harrison.
William T. Stead hatte 1889 seinen Lesern in seinen Schrif-ten nahegebracht, dass er die Kräfte des Neuen Zeitalters mit den englisch-sprachigen Völkern identifiziere und dass in de-
30 Rudolf Steiner, Vortrag 1.12.1918, GA 186, S. 69
31 Rudolf Steiner, Vortrag Stuttgart, 21.3.1921, GA 174b, S. 357-359
ren Hände die Welt übergehe. Die Gesellschaft der Zukunft werde sozialistisch sein und in der russischen Dorfgemein-schaft sah er das Bemühen, „das Ideal unserer Sozialisten zu verwirklichen.“32 Er hielt sie also für besonders geeignet, den Sozialismus zu verwirklichen.
Charles George Harrison hielt 1893 vor der „Berean Society“ sechs Vorträge, die in deutscher Übersetzung mit dem Titel „Das Transcendentale Weltenall“ vorliegen. Die „Berean Society“ war eine der Laiengesellschaften, die von Vertretern der Oxforder High Church-Richtung gegründet worden wa-ren, um zukünftige Seminaristen auszubilden und deren Stu-dium in Oxford zu bezahlen.33 Im zweiten Vortrag sagte Har-rison über Russland:
«Wir brauchen den Gegenstand nicht weiter zu verfol-gen, als dass wir es aussprechen, der National-Charakter werde sie [gemeint ist das russische Volk] befähigen, socialistische, politische und ökonomische Versuche durchzuführen, welche im westlichen Europa unzählige Schwierigkeiten bereiten würden.» 34
Unter Punkt 4. ist bereits darauf hingewiesen worden, dass Mitglieder von „Skull & Bones“, zusammen mit Wall Street Bankern die Sowjetunion aufbauen halfen, was Antony Sut-ton in „Wall Street and the Bolshewik Revolution“ und in „America’s Secret Establishment – An Introduction to the Order of Skull & Bones“ dargelegt hat.
Und nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion veröffent-lichte der amerikanische Präsidentenberater Zbigniew Brze-zinski eine Schrift mit dem bezeichnenden Titel „Das ge-scheiterte Experiment: Vom Untergang des kommunistischen Systems.“ Er gab also zu, dass der Kommunismus in der Sowjetunion ein „Experiment“ war.
7. Im Vortrag vom 21. März 1921 in Stuttgart sagte Ru-dolf Steiner: «Die andere Linie [gegenüber der Seelinie England, Südafrika, Indien], die ebenso wichtig ist, das ist diese, die den Landweg darstellt, welche im Mittelalter eine große Rolle spielte, aber durch die Entdeckung Ameri-kas und durch den Einfall der Türken in Europa für die neueren Wirtschaftsentwickelungen eine Unmöglichkeit geworden ist. Aber zwischen diesen beiden Linien liegt der Balkan, und die angelsächsische Politik geht darauf hin, das Balkanproblem so zu behandeln, daß diese Li-nie völlig ausgeschaltet wird in bezug auf die Wirt-schaftsentwickelung, daß allein die Seelinie sich entwi-ckeln kann.»35
32 Markus Osterrieder: Welt im Umbruch. Nationalitätenfrage, Ordnungs-pläne und Rudolf Steiners Haltung im Ersten Weltkrieg, Stuttgart 2014, S. 924-925.
33 A.a.O, S. 923
34 C.G. Harrison: Das Transcendentale Weltenall. Stuttgart 1990, S. 46
35 Rudolf Steiner, Vortrag, Stuttgart 21.3.1921, GA 174b, S. 361
In diesem Zusammenhang ist noch ein anderes Zitat von Ru-dolf Steiner wichtig, das es ergänzt: Ein undatiertes Manu-skript von Rudolf Steiner, vermutlich vom Dezember 1917:
«Was steht sich in diesem Kriege gegenüber und um was wird er geführt?
Tonangebend ist eine Gruppe von Menschen, welche die Erde beherrschen wollen mit den Mitteln der beweg-lichen kapitalistischen Wirtschaftsimpulse. Zu ihnen gehören alle diejenigen Menschenkreise, welche diese Gruppe imstande ist durch Wirtschaftsmittel zu binden und zu organisieren. Das Wesentliche ist, daß diese Gruppe weiß, in dem Bereich des russischen Territori-ums liegt eine im Sinne der Zukunft unorganisierte Menschenansammlung, die den Keim einer sozialisti-schen Organisation in sich trägt. Diesen sozialistischen Keimimpuls unter den Machtbereich der antisozialen Gruppe zu bringen ist das wohlberechnete Ziel. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn von Mitteleuropa mit Verständnis eine Vereinigung gesucht wird mit dem östlichen Keimimpuls. Nur weil jene Gruppe innerhalb der anglo-amerikanischen Welt zu finden ist, ist als un-tergeordnetes Moment die jetzige Mächtekonstellation entstanden, welche alle wirklichen Gegensätze und Inte-ressen verdeckt. Sie verdeckt vor allem die wahre Tat-sache, daß um den russischen Kulturkeim zwischen den angloamerikanischen Pluto-Autokraten und dem mittel-europäischen Volke gekämpft wird. In dem Augenbli-cke, in dem von Mitteleuropa diese Tatsache der Welt enthüllt wird, wird eine unwahre Konstellation durch eine wahre ersetzt. Der Krieg wird deshalb so lange in irgendeiner Form dauern, bis Deutschtum und Slawen-tum sich zu dem gemeinsamen Ziele der Menschenbe-freiung vom Joche des Westens zusammengefunden ha-ben.»36
Auch diese beiden Zitate können bestätigt werden einerseits durch die Thesen des einflussreichen Geostrategen Sir Hal-ford Mackinder, von dem oben bereits die Rede war und an-dererseits durch den modernen US-Geostrategen und Ge-heimdienst-Berater George Friedman.
Halford Mackinder stellte 1904 anlässlich einer Rede vor der Royal Geographic Society in London seine Geostrategie vor: „The Geographical Pivot of History“. Mackinder teilte die Welt in zwei hauptsächliche geografische Machtblöcke auf: Seemacht und Landmacht. Auf der einen Seite die Seemächte Großbritannien, USA, Kanada, Südafrika, Australien und Ja-pan, welche die Weltmeere und die Handelsströme be-herrschten. Sie könnten von Landmächten nicht bedroht wer-den, solange die zentrale Landmasse in „Eurasien“ miteinan-
36 Rudolf Steiner, Zeitgeschichtliche Betrachtungen, Band III, Die Wirklich-keit okkulter Impulse“, Taschenbuchausgabe, S. 264. Das Zitat ist teilwei-se veröffentlicht unter dem Titel „Der Kampf um den russischen Kultur-keim“ in: Der Europäer, 3. Jag. Nr. 5, März 1999, S. 3 (Manuskript Archiv Perseus Verlag)
der uneins sei. Sollte aber Russland, das er den „Drehpunkt-staat“ nennt:
«über die am Rande gelegenen Staaten Eurasiens ex-pandieren», würde das «den Einsatz seiner ungeheuren kontinentalen Ressourcen zum Flottenbau ermöglichen und ein Weltimperium hervorbringen. Dazu könnte es beispielsweise kommen, sollte Deutschland ein Bündnis mit Russland eingehen.» 37
Und auch der US- Geostratege George Friedman – damals noch im Thinktank „Stratfor“ – äußerte sich in diesem Sinne im Februar 2015 in Chicago:
« … Das Hauptinteresse der USA, für das wir immer wieder Kriege geführt haben - im Ersten und Zweiten Weltkrieg und auch im Kalten Krieg –, waren die Be-ziehungen zwischen Russland und Deutschland. Denn vereint sind sie die einzige Macht, die uns bedrohen kann. Unser Hauptinteresse besteht darin, sicherzustel-len, dass dieser Fall nicht eintritt.» 38
Dies gilt selbstverständlich auch, wenn Russland und China sich zu gut verstehen – denn auch sie sind „Landmächte“ Eu-rasiens. Das führt uns zur aktuellen Krise, der sogenannten „Corona-Krise.“ Welche Auswirkungen hat sie auf die „Neu-en Seidenstraßen“ – dieses Riesenprojekt, das Eurasien ver-binden und zu einem gewaltigen Wirtschaftsraum machen soll, der genau das bewirken würde, was Mackinder und Friedman fürchteten? Wird die sogenannte „Corona-Krise“, die nun in hohem Maße suggeriert, dass die Welt eine ein-heitliche Welt-Governance brauche, nun dazu genutzt, um erst einen globalen Crash zu inszenieren und danach eine noch nie dagewesen, globale Überwachungsdiktatur unter angelsächsischer Führung einzurichten?39
Angelika Eberl,
Nach Pfingsten, 6. 6. 2020